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Einführung in den Transhumanismus


Der Transhumanismus will die Grenzen der menschlichen Möglichkeiten durch Technik erweitern. Transhumanisten setzen damit auf eine Verschmelzung von Menschen und Technologien. Die Denkrichtung ist nicht neu, ihre Wurzeln finden sich schon in der Renaissance.
Inhalt:

Transhumanismus Pro - Contra

Im angelsächsischen Raum wird schon lange darüber diskutiert, wie sich technische und menschliche Intelligenz verbinden lassen. In jüngerer Zeit wurde der Diskurs durch die Entwicklung der künstlichen Intelligenz befeuert. Den großen Träumen und Hoffnungen stehen auch Ängste gegenüber, die in der Scifi-Literatur seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts thematisiert werden.

So befürchten Untergangspropheten, aber auch renommierte Wissenschaftler wie Stephen Hawking oder der KI-Forscher Hugo de Garis, dass eine wirklich ausgereifte KI die Menschen überflüssig machen und auslöschen könnte. Gegenmeinungen stammen ebenfalls von hochkarätigen Experten wie dem KI-Pionier Ray Kurzweil, der die Idee des Transhumanismus aus voller Überzeugung verficht. Er glaubt, dass die sogenannte Singularität von menschlicher und künstlicher Intelligenz kurz bevorsteht. Das wäre der Moment, an welchem beide Intelligenzen vollständig verschmelzen.

Transhumanisten hoffen darauf. Sie glauben, dass die durch die menschliche Biologie gesetzten Grenzen überwunden werden sollten. Wenn es technologische Möglichkeiten hierfür gibt, wäre es sträfliche Unterlassung, diese nicht zu nutzen. Nicht weniger als die nächste Evolutionsstufe soll die Fusion zwischen Mensch und Technologie einläuten. Der Weg dorthin wurde indes schon längst beschritten. Wearables etwa sind Computer, die wir eng am Körper tragen. Sie könnten künftig implantiert werden. Auch das gibt es vereinzelt schon, denn unter uns leben Cyborgs, die teilweise ihren Status offen kommunizieren und verfechten wie der Aktivist Neil Harbisson, der "transhuman" existiert und das aufgrund einer Farbenblindheit selbst inszeniert hat. Er steckt voller Technik, kann Farben hören und wurde sogar schon gehackt, was ihm kaum etwas ausmachte. Seinen Status als Cyborg hat er sich sogar behördlich bestätigen lassen. Im technischen Sinne sind im Grunde auch Menschen mit Herzschrittmachern und ähnlichen künstlichen Organen Cyborgs. Das sind immerhin rund zehn Prozent der westlichen Bevölkerung. Doch der Transhumanismus will viel mehr als nur künstliche Organe. Es geht ihm explizit um die künstliche Intelligenz, die symbiotisch zusammen mit der menschlichen Intelligenz agiert.

Vor- und Nachteile

Nachfolgend noch einmal ein paar Vorteile und Nachteile in der Übersicht.

Vorteile

Nachteile



Wie weit ist der Transhumanismus technisch gediehen?

Sehr viele Wissenschaftler sind von der transhumanistischen Idee begeistert und forschen nach Kräften, um sie Stück für Stück zu realisieren. Firmen unterstützen sie dabei, weil die wirtschaftlichen Potenziale beträchtlich sind. Google und Samsung lassen derzeit an smarten Kontaktlinsen forschen, die über Augmented-Reality-Features verfügen und medizinische Anwendungen ermöglichen. So könnten zum Beispiel Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel sehen. Eine integrierte Antenne übermittelt die Daten - zum Beispiel an den Arzt und das Smartphone des Nutzers. Die Medizin ist vielleicht der Bereich, in welchem bestimmte Anwendung der technischen Realisierung des Transhumanismus am nächsten kommen. Wenn dieser - im Gegensatz zu künstlichen Herzen und Gelenken - eigentlich die intellektuelle Verbindung zwischen Menschen und Maschinen anstrebt, wären elektronische Gehirn-Implantate (wie bei Cyborg Harbisson) ein großer Schritt hin zu transhumanen Systemen. Diese Sensoren und Elektroden im Gehirn können nicht nur Signale von außen nach innen übersetzen, sie können auch die Hirnaktivitäten überwachen und durch sie Prozesse in einem künstlichen neuronalen Netzwerk stimulieren lassen. Umgekehrt können sie Einfluss auf das Gehirn nehmen, indem sie - minimalinvasiv ins Gehirn injiziert - neurologische Krankheiten und Gehirnschäden therapieren. So eine Therapie erhöht auch die Denkleistung der Betroffenen, sodass künstliche Systeme die menschliche Intelligenz unterstützen. Darüber hinaus erweitern sie stark unsere Wahrnehmung. Der Cyborg Harbisson zum Beispiel empfindet in bestimmten Umgebungen - am meisten in einem Supermarkt - eine wahre Farbensymphonie, da er die Farben schließlich hört. Der nächste Schritt ist bereits in Planung: Superreiche US-amerikanische Technologie-Gurus wollen sich ins Gehirn Implantate einsetzen, die ihnen die direkte Kommunikation mit KI-Maschinen ermöglicht. Vielleicht wäre es zum Beispiel denkbar, das menschliche Gehirn mit einem einfachen Rechner zu verbinden, der Matheaufgaben (wie der Taschenrechner) löst. Wer kann schon 238 x 17 blitzschnell im Kopf rechnen oder auch nur den Wochenendeinkauf während der Autofahrt zum Supermarkt im Kopf durchkalkulieren? Wünschenswert wäre das durchaus. Das ist eine praktische Anwendung, die sich Verfechter des Transhumanismus gut vorstellen können.



Philosophische Wurzeln des Transhumanismus

Die Vertreter der Richtung betrachten den Renaissance-Humanismus und die Aufklärung als Wurzeln ihrer Philosophie. Auch Friedrich Nietzsche könnte ein Vorreiter des Transhumanismus gewesen sein, schließlich postulierte er im "Zarathustra" die Idee eines Übermenschen, welche die Nationalsozialisten zum Zwecke des Missbrauchs in einen völlig falschen Kontext stellten. Nietzsche dachte nämlich keinesfalls an eine "Herrenrasse", sondern an die Überwindung des überkommenen Menschseins - daher der Begriff "Übermensch". Von Nietzsche und anderen Philosophen ausgehend entwickelte sich die Idee des Transhumanismus rein intellektuell (auch ohne technischen Kontext) im 20. Jahrhundert immer weiter. Der auf dem Gebiet der Eugenik forschende Biologe Julian Huxley postulierte 1957 eine transhumanistische Idee als einen "Menschen, der ein Mensch bleibt, jedoch mit neuen Möglichkeiten seine [beschränkte] menschliche Natur überwindet", was sich stark an den Zarathustra anlehnt. Die Psychologen Abraham Maslow und Robert Ettinger griffen die Idee ab Ende der 1960er Jahre auf, der Futurist FM-2030 (eigentlich F.M. Esfandiary, er ließ seinen Namen ändern) nannte Ende der 1980er Jahre Transhumane explizit eine "neue Art evolutionärer Wesen". Laut FM-2030 ähnelt der Übergang zu Transhumanen dem Schritt vor vielen Millionen Jahren, als Primaten die Bäume verließen, die Savannen eroberten und dadurch auf zwei Beinen gehen mussten, was zu ihrer Menschwerdung entscheidend beitrug. Wie unsere prähistorischen Vorfahren, die sich ihrer weltgeschichtlichen Rolle nicht bewusst sein konnten, würden auch Transhumane nicht unbedingt ihre Rolle genügend reflektieren, so FM-2030. Schließlich definierte noch in jüngste Zeit Max More den Transhumanismus als "Kategorie von Anschauungen, um uns hin zu einem posthumanen Zustand zu führen". Auch dieses Postulat vernachlässigt technische Aspekte und stützt sich auf die Philosophie. Laut More teilt Transhumanismus viele Aspekte des Humanismus', unter anderem den Respekt vor Wissenschaft und Vernunft sowie die Verpflichtung zum Fortschritt.

Fazit

Transhumanismus ist eine Philosophie, die zum Verständnis der technischen Verknüpfung von menschlicher und künstlicher Intelligenz nötig ist. Sie wird künftig einen wichtigen ethischen Bereich behandeln müssen: Wann ist ein Cyborg mehr Mensch, wann mehr Maschine? Welche juristischen Rechte sollen er oder auch die pure, aber vernunftbegabte und emotionale Maschine haben?




Quellen und Verweise



Artikel veröffentlicht am 02.01.2018